11-02-2015, Murrhardt

Stilechte Klassiker, überzeugender Sound

Vergnüglich-nostalgische Zeitreise zu den Anfängen des Jazz mit der New Orleans Hot Jazz Band Heye’s Society

Ein großer Ohrenschmaus für alle Jazzfans war das Konzert der Münchner Jazzband Heye’s Society. Mit vielen stilecht präsentierten Jazz-Klassikern auf Top-Niveau entführten die sechs Vollblutmusiker die zahlreichen Zuhörer in die goldene Ära des frühen Jazz aus New Orleans und Chicago.

Formierten sich vor rund eineinhalb Jahren zum 100. Geburtstag der ersten Jazz-Schellackplatte zur Band Heye’s Society (von links): Tino Rossmann, Achim Bohlender, Christoph Wackerbarth, Heye Villechner, Toni Ketterle und Christoph Möhle, die in der Festhalle ein Konzert gaben. Foto: E. Klaper

 

MURRHARDT (eke). Mit großer Spielfreude, viel Gefühl und detailgenauer, aber individueller Gestaltung der Rhythmen, Harmonien, Melodien und Improvisationen brachten sie den charakteristischen Sound, Offbeat und Swing verblüffend authentisch zur Entfaltung. Dazu erzählten sie viel Aufschlussreiches und Anekdotisches über die Entwicklung des Jazz und die berühmten Jazzmusiker, die sie mit einer Bildpräsentation aus historischen Aufnahmen illustrierten. So versetzte Heye’s Society das Publikum im Festhallenfoyer in die Entstehungszeit des Jazz. Die Band formierte sich vor rund eineinhalb Jahren zum 100. Geburtstag der ersten Jazz-Schellackplatte, die in New Orleans aufgenommen wurde. „Wir sind Amateurmusiker, die alle von der Klassik kommen, aber mit der Jazzmusik dieser Stilrichtung groß geworden sind“, erzählte Bandgründer, Schlagzeuger, Sänger und Moderator Heye Villechner. Mit Toni Ketterle als musikalischem Leiter, der Kornett und Trompete spielt, aber auch singt und moderiert, stellte der gebürtige Ostfriese Villechner das Ensemble zusammen. Die Mitglieder sind Virtuosen auf ihren Instrumenten und kommen aus verschiedenen Regionen Deutschlands.

Kornettist Toni Ketterle, Klarinettist Achim Bohlender und Posaunist Christoph Wackerbarth spielten die den New Orleans Jazz prägenden drei melodischen Linien, während Percussionist Heye Villechner, Pianist Dr. Tino Rossmann und Tubist Christoph Möhle die Rhythmusgruppe bildeten. Jedes Bandmitglied zog alle Register seines Könnens und begeisterte mit kreativen Improvisationen, die teils solistisch, teils wie im New Orleans Jazz üblich gemeinsam erklangen. So sprang der Funke der Begeisterung gleich auf die Zuhörer über. Das Programm umfasste Stücke, die meist zwischen 1910 und 1930 entstanden. Einige davon kreierten in den wilden zwanziger Jahren die beiden größten Stars: der Schwarze Louis Armstrong und der Weiße Bix Beiderbecke, Sohn deutscher Einwanderer aus dem Ruhrpott. Einfach hinreißend war Toni Ketterles fulminantes Kornett-Solo der als unspielbar geltenden Einleitung von Louis Armstrong zum Westend Blues von King Oliver. Schön melodisch und moderat, wie Beiderbecke auf seiner Trompete spielte und damit den Cool Jazz inspirierte, bot die Band dessen Stück „Singing the Blues“ dar.

Einziger Schwabe und Jüngster in der feinen Gesellschaft der Herren im silbernen Alter ist Klarinettist Achim Bohlender aus Herbrechtingen. Er verzückte die Zuhörer mit etlichen brillanten Soli, bei denen er mit Bravour in die Fußstapfen des „King of Swing“ Benny Goodman trat. Ein Höhepunkt des Konzerts war Bohlenders Soloauftritt mit „Avalon“ (Vincent Rose, Al Jolson), dessen Thema Goodman angeblich aus einer Arie der Oper „Tosca“ klaute.

Posaunist Christoph Wackerbarth begeisterte mit herrlich schrägen Schleiftönen und souveränen Improvisationen, sowohl instrumental und teils mit Schalldämpfer, als auch mit seiner Stimme. Viel Vergnügen machte sein Scatgesang, den Louis Armstrong erfand, in „Shine“ von Ford Thompson Debney. Ein Hochgenuss war Ben Bernies heißer Hit „Sweet Georgia Brown“ in schnellem Tempo. Da lieferten Christoph Wackerbarth, der versierte Pianist und Sänger Dr. Tino Rossmann, Tubist Christoph Möhle, der für den verhinderten Leopold Gmelch einsprang, und Schlagzeuger Heye Villechner mit fantastischer Percussion ein kleines Jam-Session-Meisterstück ab. Für Sonntagslaune sorgte Heye’s Society mit Chester Cohns fröhlicher Melodie „Sunday“ und dem Marsch „High Society“ von Porter Steel, von dem der Name der Band abgeleitet ist. Wunderschöne Harmonien entfalteten sich in Duke Ellingtons „Creole Love Call“. Auch der Humor kam nicht zu kurz, so in „That’s my home“ (Ben Ellison, Leo Rene), das Bayer Toni Ketterle zu „Do bin i dahoam“ variierte, oder in Nick LaRoccas „Tiger Rag“, als in den Soli plötzlich Themen deutscher Volkslieder erklangen.

Einen kleinen Extraeinsatz leistete Pianist und Sänger Tino Rossmann, der auch Arzt ist. Er kam einer Zuhörerin zu Hilfe, die kurz ohnmächtig wurde, und betreute sie kurz, sodass es ihr rasch wieder besser ging. Heye Villechner erwies sich auch als talentierter Sänger, so in Milton Agers „Ain’t She Sweet“. Für ihre fulminante Performance heimste Heye’s Society viele Bravorufe und starken Beifall der Zuhörer ein, denen das Konzert so viel Spaß machte, dass sie den Jazzern noch mehrere Zugaben entlockten.

Quelle:

http://www.murrhardter-zeitung.de/node/908334

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© Toni Ketterle